Ein Meer verschwindet, die Hoffnung bleibt

Der Aralsee zwischen Kasachstan und Usbekistan war einst das viertgrösste Binnenmeer der Erde. Heute ist er fast verschwunden – eine Wüste aus Salz, Staub und rostenden Schiffsskeletten. Geblieben sind rund zwei Millionen Menschen, die sich weigern, ihre Heimat aufzugeben.

Der See starb, als sowjetische Ingenieure in den 1960er-Jahren seine Zuflüsse für die Baumwollbewässerung umleiteten. Innerhalb weniger Jahrzehnte fiel der Pegel auf ein Zehntel. Wo einst Wellen schlugen, flirrt heute Hitze über Sand. Doch im Norden Kasachstans hat sich dank eines Staudamms ein kleiner Teil des Aralsees erholt – mit Fischen, Flamingos und neuen Arbeitsplätzen.

Omirserik Saraschatow, Fischer aus Tastubek, zieht bei Sonnenaufgang seine Netze ein. „Solange Wasser da ist, bleibe ich“, sagt er. Der See ernährt ihn – wenn auch knapp. Fangverbote und Strafen schrecken ihn nicht. „Meine Familie muss essen.“

Im Labor von Schimbolat Kulmaschow beginnt neues Leben künstlich: Aus Hormonen, Eiern und Milch züchtet der 60-Jährige Karpfenlarven. „Ohne uns gäbe es keine Fische mehr“, sagt er. Die Brutstation rettet jährlich Millionen Tiere – ein Versuch, das Gleichgewicht zu halten.

In der Steppe pflanzt Akmirsa Baimachanow Saxaulbäume – widerstandsfähige Sträucher, die Sand und Salz binden. Unterstützt von der UNO zieht er Tausende Setzlinge gross. „Vielleicht retten sie nicht den See“, sagt er, „aber sie halten die Wüste auf.“

Währenddessen besucht Usbekistans Innenminister die staubige Westseite des Sees. Von der einstigen Wasserfläche ist dort kaum mehr etwas übrig. Touristen kommen, um das Ende zu sehen. „Traurig“, sagt der Minister. Dann fliegt er davon.

Doch nicht alle schauen zu. In Nukus leitet Bachitjan Chabibullaew ein Forschungszentrum für salztolerante Pflanzen. Auf 24 Hektaren wächst, was andernorts längst verdorrt: Sesam, Hirse, Feigen. „Die Natur kann sich heilen“, sagt er, „man muss ihr nur helfen.“

Und im Süden summen Bienen über vertrockneten Feldern. Zufat Jemuratow, einst arbeitslos, wurde durch ein UN-Projekt Imker. Seine Frau, die an einem Tumor litt, schwört auf den Honig. „Diese kleinen Wesen haben uns Hoffnung gegeben.“

Der Aralsee wird nicht zurückkehren – doch das Leben kehrt zurück. In anderer Form, anderer Farbe, aber unbeirrbar. Der Wind trägt Salz und Samen zugleich. Zwischen dem, was war, und dem, was kommt, wächst etwas Neues: der Wille zu bleiben.